Selbstbildnis mit Spiegel, der Titel dieses Meisterwerks aus der Mu.ZEE-Sammlung mag die Fantasie anregen, aber mindestens zehn der über 40 Selbstporträts Spilliaerts zeigen einen Spiegel. Ein ähnliches Problem ergibt sich bei den Hunderten von Werken, auf denen Bäume abbildetet sind. Die Frage stellt sich: Woher stammen diese Titel?
Manchmal gab Spilliaert seinen Bildern selbst einen Titel. In vielen frühen, zwischen 1900 und 1904 entstandenen Werken schrieb er sie in die Darstellung, wie in Solitude (Einsamkeit) oder La Noyade (Das Ertrinken). Dasselbe gilt für Drucke aus Serien wie Serres Chaudes oder Plaisirs d'Hiver, bei denen die Titel im Bild selbst oder in einem begleitenden Rahmen stehen.
Manchmal kennen wir Spilliaerts Titel aus Briefen, in denen er oder seine Korrespondenzpartner über ausgestellte, verkaufte oder andere Werke schrieben. So erwähnte er 1913 den möglichen Verkauf von Vieille maison de pêcheurs(Altes Fischerhaus) an den belgischen Staat.1 Auch Ausstellungskataloge aus der Zeit vor 1946 bieten Anhaltspunkte. Wir können davon ausgehen, dass der Künstler die Titel entweder mitbestimmte oder guthieß. Der Katalog Galerie du Centaure. Exposition de Léon Spilliaert (Oktober 1922), in dem 56 Titel aufgelistet sind, ist dafür ein gutes Beispiel. Hier finden sich Mon portrait als Titel für ein Selbstbildnis und Le peintre Permeke, gemeint ist vermutlich das 1921 entstandene Porträt. Überdies gibt es Titel wie Le parc, L’Arbre und Marine, wobei der Künstler natürlich Dutzende Ansichten von Parks, Bäumen und dem Meer schuf!
Viele Titel wurden den Werken im Laufe der Zeit von Museumsleuten, Kunsthistorikerinnen und Kunsthändlern zugewiesen. Zumeist beschreiben sie das Dargestellte, manchmal aber interpretieren sie es auch. Das Datum kann Hinweise auf den Entstehungsort geben, das heißt in welcher Stadt oder in welchem Park sich der abgebildete Baum befand.
Es dauert noch ein wenig, bis die kommentierte Ausgabe der Korrespondenz von Spilliaert und vor allem das systematische Werkverzeichnis erscheinen, beide von Dr. Anne Adriaens-Pannier, bis wir den Werken Spilliaerts eindeutige Titel zuweisen können.
Bis dahin verwenden wir auf dieser Website die Titel so, wie sie bisher in der Literatur zu finden sind. Die Titel werden in der Sprache der jeweiligen Seite angezeigt, in diesem Fall Deutsch. Nur wenn Spilliaert selbst einen Titel auf dem Werk verzeichnete, geben wir auch den Originaltitel an, in der Regel auf Französisch. Auf mehrere Werke, oft im Zusammenhang mit einer Ausstellung, schrieb Spilliaert einen Titel auf die Rückseite. So steht auf der Rückseite vom Strand im Mondschein (1908) „der alte Kursaal von Oostende“ und davor „n° 19“, was sich wahrscheinlich auf eine Nummerierung im Ausstellungskatalog bezieht.2